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Date: 2002-01-29

FR: Big Brother Awards 2002 verliehen


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Die zweite Ausgabe der französischen BBA's konnte dieses Jahr freilich
nicht an den offensichtlichen Bemühungen der Regierung vorbeikommen, die
Kontrolle ihrer Staatsbürger noch ein wenig mehr in die Tat umzusetzen: das
"Gesetzespaket für die tägliche Sicherheit" (LSQ) und die Polizeidatenbank
STIC (Système de Traitement des Infractions Constatées) haben der
Regierung Jospin, aber auch den Parlamentariern den Spezialpreis der Jury
eingebracht. Frankreich war erst vor kurzem von enduring-freedoms.org -
einem Zusammenschluss der internationalen Menschenrechtsligen, Human
Rights Watch und den Reportern ohne Grenzen - in den Top 15 der
kontrollwütigsten Staaten an den 4. Platz gereiht worden. Nach den USA,
Großbritannien und Kanada.
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Die französischen BBA's platzen mitten in eine öffentliche Kontroverse, die
seit der gestrigen Veröffentlichung der Kriminalitätsstatistiken 2001 wieder
einmal die Gemüter erhitzt: über 4 Millionen Straftaten - vom Handydiebstahl
bis zum Graffiti auf den Mauern der Sozialwohnbauten, von Vergewaltigung
bis zum Raubüberfall - hat die Polizei und Gendarmerie im letzten Jahr
festgestellt. Für die wahlkämpfenden Politiker und die nach Schlagzeilen
hungernden Massenmedien willkommener Anlass das Lieblingsthema
"Unsicherheit" - "L'Insécurité" - zum hundersten Male aufzurollen und den Ruf
nach mehr Mitteln für die Polizei und einer strengeren Justiz laut werden zu
lassen ( Die Zahlen, die Angst machen).

Ein Ruf der offenbar bis zu den Ohren der Regierenden vorgedrungen ist und
mit der LSQ vom 15. November 2001 u.a. die Speicherpflicht von
Verkehrsdaten aus der elektronischen Kommunikation gebracht hat,
Erleichterung von Personen - und Hausdurchsuchungen, Pflicht zur
Offenlegung von Kryptoschlüsseln, Versammlungsverbot im Eingangsbereich
von Sozialwohnbauten, bis zu 6 Monaten Gefängnis für 10-maliges
Schwarzfahren, und, und, und ...

Noch dazu ist dieses Gesetz auf verfassungswidrigem Wege zustande
gekommen, wie zahlreiche Anwälte, Richter und Bürgerrechtsbewegungen
nicht müde werden zu erinnern. Obwohl die Parlamentarier mittels einer
Petition dazu aufgerufen worden waren, das Gesetzespaket für die tägliche
Sicherheit einer verfassungsrechtlichen Kontrolle zu unterziehen, hatten
diese es vorgezogen, zu schweigen und so das Gesetz, das im
Eilzugstempo beschlossen worden war, ermöglicht. Was ihnen nun
gemeinsam mit der Regierung den Spezialpreis der BBA-Jury für ihr
"Gesamtwerk" eingebracht hat.

Freilich hat da auch das Datenverarbeitungssystem der Polizei namens STIC
- eine Datenzusammenführung aller registrierten Straftaten aus allen
Bereichen der Sicherheitsadministration - ihr Teil dazu beigetragen. Das STIC
hatte bereits letztes Jahr dafür gesorgt, dass das französische
Innenministerium mit einem Big Brother Award in der Kategorie "Verwaltung"
versehen wurde. Vor allem ob der Tatsache, dass das STIC bereits seit 1995
fleißig Daten sammelt, aber erst letzten Sommer auf eine legale Basis
gestellt worden war. Ohne dabei darauf zu vergessen, die nationale
Informatikkommission CNIL, der eigentlich alle Versuche elektronischer
Datensammlung gemeldet werden müssen, geflissentlich zu umgehen. Im
Namen der Staatssicherheit braucht die Regierung nicht näher auf die Sorgen
der CNIL um den Datenschutz einzugehen. Einziges Trostpflaster für die
Datenschutz-Kommission: Man darf die Kritik an solchen Praktiken immerhin
noch veröffentlichen.

Dabei kann man das STIC als demokratisch höchst bedenklich bezeichnen,
da zwar Personen, die einen Freispruch erhalten haben, aus der Datenbank
gelöscht werden müssen, aber nicht diejenigen, deren Bekanntschaft mit den
Gerichten mit einer Einstellung des Verfahrens geendet haben.

Für die rührige Richtergewerkschaft Le Syndicat de la Magistrature ist das
STIC eine "Monsterdatenbank" der Polizei, das "die elementarsten Prinzipien
unseres Rechtssystems, wie die Unschuldsvermutung, das Recht auf
Vergessen und Rehabilitation mit Füssen tritt." Die Gewerkschaft wurde
gestern Abend bei den BBA-Verleihungen mit dem "Prix Voltaire" für ihre
bürgerliche Wachsamkeit belohnt.

Mehr
http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/te/11700/1.html


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edited by Harkank
published on: 2002-01-29
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