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Date: 2000-10-27
"Cybercrime": Hype um Abkommen
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Von Christiane Schulzki-Haddouti
Grundrechte sind unveräußerlich. Ein Satz, den schon jedes
Schulkind lernen muss. Auf internationaler Ebene scheint er
jedoch nicht viel zu gelten. Der Europarat erarbeitete in den
letzten Monaten ein Cybercrime-Abkommen, das im
Dezember verabschiedet werden soll. Es soll die Verfolgung
von Straftaten im Internet erleichtern.
Die Autoren des Abkommens, das jetzt im 22. Entwurf
vorliegt, gehen dabei wie Kinder vor, die sich einen
Wunschzettel für den Nikolaus schreiben: Zuerst listen sie
Vergehen auf, die sie gerne bestraft haben möchten. Dann
erklären sie diese zur Straftat. Dazu gehören neben
Verstößen gegen das Urheberrecht auch die Weitergabe von
Passwörtern und Zugangscodes. Auch das Abfangen von
Datenübertragungen und das Abgreifen elektromagnetischer
Strahlungen soll künftig international geahndet werden
können. Einzelne Staaten können sich jedoch hier über
Sondererklärungen ausnehmen.
Wen wundert es da noch, dass die Autoren bei den Regeln
zur Durchsuchung und Beschlagnahmung von Computern
auch den behördlichen Zugriff auf private Kryptoschlüssel
ermöglichen wollen. Zumindest lässt der entsprechende
Absatz eine derartige Auslegung zu. Nach Ansicht von
Bürgerrechtlern verstößt dies jedoch gegen die europäische
Menschenrechtskonvention. Denn es gilt auch in Europa,
dass niemand gezwungen werden kann, sich selbst zu
belasten - wie es bei der Herausgabe von Zugangscodes der
Fall sein könnte.
Das Abkommen geht aber noch einen Schritt weiter: Alle
zuvor definierten Straftaten genügen als Anlass, damit die
Polizei im Ermittlungsfall die Datenkommunikation der
Verdächtigen aufzeichnen und speichern darf. Damit werden
quasi über ein internationales Abkommen die nationalen
Gesetzgeber genötigt, den Straftatkatalog für das Abhören
massiv zu erweitern.
Bislang scheiterten die Unionsparteien mit dem Vorschlag,
Kinderpornographie in den Abhörkatalog aufzunehmen. Mit
dem Abkommen des Europarats wären sie im Handstreich
an ihr Ziel gekommen. Gleichzeitig würde aber auch die
Schwelle insgesamt deutlich abgesenkt: Denn abgehört
werden könnte dann sogar im Fall von
Urheberrechtsverstößen.
Damit wäre selbst Bundeswirtschaftsminister Werner Müller
im Visier der Fahnder: Auf seinem IT-Sicherheitsserver finden
sich etliche Artikel von Autoren, die dieser Art von
Zweitverwertung nicht explizit zugestimmt haben. Doch nicht
nur Müller würde Bespitzelung und Vorstrafe riskieren,
sondern auch Tausende von privaten Website-Betreibern, die
ihr Angebot mit im Netz kopierten Texten oder Musikdateien
angereichert haben.
Das Abkommen erweitert mit dem Klammergriff des
Abhörparagrafen massiv die Eingriffsbefugnisse der
Strafverfolger. Aufgrund des europäischen
Rechtshilfeabkommens können die Behörden einzelner
Staaten dann sogar selbst direkt auf die Rechner von
Verdächtigen in jeweils anderen europäischen Ländern
zugreifen.
Mehr
<http://www.zeit.de/2000/44/Politik/200044_netzzeit3.html>
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edited by Harkank
published on: 2000-10-27
comments to office@quintessenz.at
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