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Date: 2002-07-27

DE: Zensur als Libertas Bavariae

Halten zu Gnaden wo kommert ma denn da hin, wenn ein jeder demonstrieren möcht, wann es ihm passt -eine Ruh is jetzt, verstanden, Sackl/zement nochamal.
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om 14.5 - 10.6.2002 realisierte Oliver Ressler eine City-Light-Serie in der Innenstadt München. Die drei Plakatsujets der City-Light-Serie verbinden das in München vorhandene Wissen um die Geschehnisse rund um die NATO-Sicherheitstagung vom 1.2 - 3.2.2002 mit der Tatsache, dass ein Monat nach dem vom SPD-Oberbürgermeister Ude verhängten totalen Demonstrationsverbot dessen Politik - und damit auch die Einschränkung demokratischer Rechte - bei den Stadtratswahlen durch einen fulminanten Wahlsieg bestätigt wurde. Die auf den SPD-Wahlkampfslogans "Es geht um München." und "München braucht mehr Rot!" basierenden City-Light-Plakate bilden eine offene Struktur und erlauben keine eindeutige Zuordnung, wer hinter den Plakaten steht.

Bis zum 1.9.2002 sind die Plakate nun gemeinsam mit einer 20-minütigen Videodokumentation der City-Light-Serie in der Ausstellung "Exchange & Transform" im Münchner Kunstverein zu sehen

http://www.kunstverein-muenchen.de

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Die Süddeutsche über die Ausstellung


Leuchtende Beispiele - Ein Künstler prangert Münchens Demokratieverständnis an

Seit einigen Tagen wundern sich Passanten über seltsame Wandbehänge an verschiedenen Orten in Münchens Innenstadt. Zum Beispiel am Altheimer Eck Nummer 6. Dort klemmt in einem Kasten ein beleuchtetes Poster, ein so genanntes "City Light", wie es auch zur Bewerbung von Damenunterwäsche an Bushaltestellen benutzt wird. Auf den ersten Blick sieht es aus wie ein ganz gewöhnliches Wahlplakat der SPD: rote Schrift auf Weiß, darunter die Skyline von München, darüber scheinbar gute Gründe, die Partei zu wählen. Beim näheren Hinsehen erkennt man die wahren Ankreuz-Motive: "Demonstrationsverbote" steht da, "Veranstaltungsverbote", "Polizeikessel", "Massenfestnahmen" und "Einschränkung demokratischer Rechte". Dazu der Slogan "München hat mehr Rot!" - in Anspielung auf "München braucht mehr Rot!", die originale Selbstanpreisung der Sozialdemokraten vor der Kommunalwahl im März dieses Jahres. Der Betrachter kann über die irreführenden Aushänge nur rätseln. Wer hinter dem provokativen Spott steckt, verraten die Plakate nicht.

Oliver Ressler heißt er, ist 31 Jahre alt und Künstler mit Ausbildung an der Hochschule für angewandte Kunst in Wien. Er bezeichnet sich selbst als unabhängig von Parteien und Gruppen, gibt sich als Verfechter eines radikalen, linken Demokratie-Verständnisses: "Die Freiheit des Einzelnen ist das höchste Gut. Die Menschen sollen selbst entscheiden, wie die Gesellschaft, in der sie leben, aussehen soll - nicht die Konzerne und Wirtschaftsorganisationen der mächtigsten Länder der Welt." Seit Mitte der neunziger Jahre arbeitet Ressler an verschiedenen politischen Projekten, thematisiert Rassismus, Gentechnik, Globalisierung. Seine Münchner "City Lights"-Anti-Reklame heißt "This is what democracy looks like (Liberalitas Bavariae)" und ist im Rahmen der Ausstellung "Exchange & Transform" des Kunstvereins München entstanden. Die Leuchtkästen sind eine Reaktion auf das von OB Christian Ude verhängte Demonstrationsverbot anlässlich der Münchner Nato-Sicherheitskonferenz vor vier Monaten. Weil die Politik der Rathaus-Mehrheit durch einen glänzenden Sieg bei den Stadtratswahlen bestätigt wurde, entschied sich Ressler für die Wahlplakat-Optik als Vehikel seiner Kritik. Er übernahm Motive und Themen der SPD-Kampagne, kupferte Schriftarten und -setzungen eins zu eins ab.

In seinem satirischen Ansatz erinnert Resslers Spiel mit dem Medium ausgerechnet an die ironisch anprangernden Pro-SPD-Plakate des Grafikers Klaus Staeck ("Deutsche Arbeiter! Die SPD will euch eure Villen im Tessin wegnehmen") und die antifaschistische Propaganda John Heartfields in den Dreißigern. Die Freiheit der Kunst nutzt und lotet Ressler bewusst aus, um seine Meinungsäußerungen an Orten kundzutun, die politischen Gruppen so nicht ohne Weiteres zur Verfügung stünden. Zum Beispiel mietete er 1997 eine Fläche vor der Wiener Staatsoper, um den gut gelaunten Musikliebhabern einen 30 Kubikmeter großen Plakat-Quader vorzuhalten, der die staatliche Abschiebungspraxis anklagte.

Die "City Lights" leuchten zu einem passenden Zeitpunkt. Im Rathaus ist der Streit über die Sicherheitskonferenz 2003 schon jetzt entbrannt. Das "Friedensbündnis" hat bereits eine Demonstration angemeldet. Und selbst beim Bush-Besuch in Berlin ist erlaubt gewesen, was in München eingeschränkt war: das Recht auf freie Meinungsäußerung.


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edited by Harkank
published on: 2002-07-27
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