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Date: 2001-04-20

AT: Unwuerdiges Spektakel Volkszaehlung


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Die ARGE Daten in einem Originalton, der keiner weiteren
Kommentierung bedürftig ist.

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Milliardenteures Ritual zur Bürgerbelästigung - Massive
Eingriffe in die Privatsphäre zu befürchten - Strafdrohung der
Volkszählung ist totes Recht - Veraltetes Menschenbild -
Datenschutzrechtlich bedenkliche "Parallelaktion" des
Innenministeriums - Daten zum Zeitpunkt der
Veröffentlichung veraltet und für seriöse Planung unbrauchbar


Milliardenteures Ritual zur Bürgerbelästigung

Mit Ende April beginnt die sogenannte heiße Phase der
Volkszählung 2001. Zehntausende Zählorgane werden
ausschwärmen und Millionen Drucksorten verteilen. Diese
sind mit Stichtag 15.5.2001 von den Haushaltsvorständen,
Wohnungs-, Haus- und Arbeitsstättenbesitzern auszufüllen
und bis Ende Mai zu retournieren.

Der volkswirtschaftliche Schaden dieser Aktion liegt bei rund
6 Mrd. Schilling (rund 436 Millionen Euro). Zu den offiziell
ausgewiesenen weit über 500 Mio. ATS der Statitik Austria
kommt noch derselbe Betrag durch die Gemeinden hinzu.

Dr. Hans G. Zeger: "Den Hauptanteil der Belastung müssen
jedoch Millionen Familien sowie Wohnungs- und
Hausbesitzer und Unternehmer tragen. Bei einer eher
konservativ kalkulierten Dauer von durchschnittlich drei
Stunden für Übernahme, Studium, Ausfüllen und Abgabe der
Formulare und einem an einfachen Bürotätigkeiten
orientierten Stundensatz ergeben sich weitere Kosten von
knapp 5.000 Millionen ATS."


Massive Eingriffe in die Privatsphäre zu befürchten

Wie die vergangenen Volkszählungen zeigten, stellt
besonders die Datenerhebung durch die Zählorgane einen
massiven Eingriff in die Privatsphäre dar. Bei der letzten
Zählung kam es in ganz Österreich laufend zu Aktivitäten der
Zählorgane, die an der Grenze der Nötigung anzusiedeln
sind. Die Highlights des Mißbrauchs der Amtspositionen
waren: - Unberechtigtes Verlangen des Zutritts zur Wohnung -
Übergabe vorausgefüllter Fragebögen - Druck, die
Fragebögen im Beisein des Zählorgans auszufüllen -
Ausbessern des Fragebogens durch das Zählorgan -
Durchführung von Zusatzerhebungen auf eigene Faust
(http://www.ad.or.at/text/361.htm)

Dr. Hans G. Zeger: "Offenbar haben sich viele Zählorgane
geistig noch immer nicht von den Blockwartmethoden der NS-
Zeit verabschiedet. Verschärft wird die Situation durch die
beinharte Kopfjagd der Gemeinden. Diese instruieren die
Zählorgane, besonders viele Personen zu zählen, nicht
gemeldete Personen aufzuspüren und vergeben
Vollständigkeitsprämien. Die ARGE DATEN befürchtet eine
Wiederholung der Vorkommnisse der letzten Zählungen."

Rechtslage zur Zählung ist klar geregelt

- Niemand muß ein Zählorgan in seine Wohnung lassen.
Selbst der Leitfaden für die Zählorgane betont mehrmals:
"Bitte beachten Sie, dass Sie nicht das Recht haben,
Einlass in eine Wohnung zu verlangen." - Jeder hat das
Recht, die Fragebögen allein auszufüllen. - Wird einem
Zählorgan mißtraut, dann können die Formulare direkt bei der
Gemeinde abgegeben werden. - Das Verteilen von
vorausgefüllten Formularen durch die Gemeinden ist
ungesetzlich. Die Annahme von derartigen Formularen kann
verweigert werden. - Ausdrücklich verboten ist es den
Zählorganen die Formulare in Eigenregie auszubessern. -
Das Zählorgan ist nur berechtigt die Vollständigkeit der
Formulare und der beantworteten Fragen zu prüfen. Es
handelt sich dabei um eine bloße Plausibilitätsprüfung. Es
müssen keinerlei Zusatzfragen beantwortet werden. Es
müssen auch keine Nachweise, etwa über die
Staatsbürgerschaft, die Ausbildung oder die Kinderzahl
vorgelegt werden. Glaubt eine Gemeinde, daß irgendwelche
Daten nicht korrekt sind, dann kann die Gemeinde ein
formelles Verwaltungsprüfverfahren initiieren.

Dr. Hans G. Zeger: "An die Gemeinden appelliert die ARGE
DATEN ihre Führungskompetenz zu beweisen, und sicher zu
stellen, daß sich die Zählorgane rechtskonform und
bürgerfreundlich verhalten. Wir erwarten, daß überforderte
Zählorgane sofort von der Zählungsaufgabe abgezogen
werden."


Welche Strafdrohungen bestehen bei der Volkszählung?

Das Volkszählungsgesetz kennt nur die allgemeinen
Verwaltungsverfahrensstrafbestimmungen: mit einer
Obergrenze von 30.000,- ATS bei der Geldstrafe oder einer
Ersatz-Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten. Untergrenzen
oder Mindestrafen existieren nicht.

Diese aus formalrechtlichen Gründen im
Volkszählungsgesetz (§9) enthaltene Bestimmung, wurde ei
der letzten Volkszählung nicht angewandt. Experten
sprechen von Bedingungen, die nie oder praktisch nie
angewandt werden, von "totem Recht". Dies obwohl viele
hunderttausend Fragebögen unvollständig ausgefüllt wurden.
Allein die Auskunftung über das Religionsbekenntnis wurde
laut Statistik Austria 1991 270.965 Mal verweigert.
Sanktionslos.

Die Strafdrohung richtet sich gegen alle Personen, die die
Fragen nicht, unvollständig oder fehlerhaft beantworten.
Voraussetzung für eine Strafwürdigkeit ist jedoch, daß
vorsätzlich ("wissentlich") gehandelt wird. Siehe dazu auch
unseren Fallbericht: http://www.ad.or.at/text/41.htm

Dr. Hans G. Zeger: "Wir gehen davon aus, daß die Bürger
mündig genug sind, zu entscheiden, wie und in welcher Form
sie bestimmte Fragen beantworten wollen. Die Bürger
können auch abschätzen, welche Risken das
Nichtbeantworten von einzelnen Fragen nach sich zieht."

Tatsächlich ist den Gemeinden die Beantwortung weiter Teile
der Fragebögen auf gut Wienerisch "wurscht". Das
eigentliche Interesse der Gemeinden konzentriert sich auf die
bloße Erhebung der Personenzahl. Diese Personenzahl ist
für die Zahlungen aus dem sogenannten Finanzausgleich des
Bundes von Bedeutung. Mit der Abgabe eines
Personenblattes je Familienmitglied und der Beantwortung
der Fragen 1 und 2 (Geburtsjahr und Geschlecht) sind die
Anforderungen der Gemeinden erfüllt.

Dr. Hans G. Zeger: "Schon die Erfahrungen der letzten Volkszählung zeigten, daß viele Gemeinden mit der oben beschriebenen Basisausfüllung des Personenblattes zufrieden waren."

Tatsächlich wissen die Gemeinden tagesaktuell über ihre Bürger (Zahl und Altersstruktur) bescheid. Die Gemeinden benutzen die Volkszählung nur zur Bestätigung ihrer eigenen Daten.

Zwischen den Gemeinden ist eine regelrechte Jagd um diese Personenblätter entbrannt. Bei der letzten Volkszählung wurden weit über hunderttausend Reklamationsverfahren über die Feststellung der Zuordnung des Personenblatt
es zu einer Gemeinde geführt. Fest steht, daß eine mehrfache Abgabe eines Personenblattes bei verschiedenen Gemeinden, nicht überprüft werden kann und auch zu keinerlei Reklamations- oder Verwaltungsverfahren führen kann.


Konsequenterweise wird dann eine Person bei jeder dieser Gemeinden, bei der sie den Wohnsitz, den Arbeitsplatz oder die Ausbildungsstätte hat, gezählt.

Dr. Hans G. Zeger: "Würde die Bundesregierung nicht den Gemeinden mißtrauen, könnte man sich das Volkszählungsritual ersparen. Es wäre ausreichend, wenn die Gemeinden in Jahresabständen die Bürgerzahl und die Verteilungen
nach Geschlecht und Alter an die Statistik Austria übermittelten. Die Finanzausgleichsverteilung könnte in wesentlich kürzeren Abständen aktualisiert werden. Die Unterstellung, die Gemeinden würden ihre Bürgerzahlen mani
pulieren bzw. nicht korrekt verwalten, beschert uns den volkswirtschaftlichen Schaden von 6 Mrd. ATS."


Fragen nicht mehr zeitgemäß

Viele Fragen werden als aufdringlich angesehen und sind auch in Hinblick auf die EU-Richtlinie datenschutzrechtlich bedenklich.

Neben der Erhebung des "Religionsbekenntisses (8)" und des "Geburtslandes (4)", beides sind Daten, die laut EU-Richtlinie in die Kategorie sensibler Daten fallen und die nur unter ganz eingeschränkten Bedingungen überhaup
t erhoben werden dürfen, finden sich noch eine Reihe weiterer skuriler bzw. problematischer Fragen.

"Stellung im Haushalt (7)" mit der Vorgabe "Haushaltsvorstand", noch immer gilt bei der Statitik Austria das altväterliche Bild des "Familienoberhaupts"

"Genaue Berufsbezeichnung (13)": In einer Zeit rasch wechselnder und immer individuellerer Berufsbilder sind die vorgeschlagenen Beispiele "VIDEOGERÄTEMONTIERIN" oder "STRASSENWÄRTER" nicht gerade hilfreich. Dieses Feld w
ird keine auswertbaren Daten liefern.

Die "Umgangssprache (6)" ist ebenfalls als problematisch einzustufen, da Sprachminderheiten wieder einmal einem Bekenntissdruck gegenüber der Gemeinde ausgesetzt werden.

Als generell problematisch wurden bei der letzten Volkszählung alle Fragen zur Wohnung eingestuft. Gerade die Wohnung wird von allen Menschen als letztes privates Rückzugsgebiet angesehen. Fragen zu diesem wesentlichen Te
il der Privatsphäre werden als besonders zudringlich angesehen. Bei der letzten Volkszählung reagierten die Menschen mit besonders lückenhaften und falschen Angaben.

O-Ton aus der Statistik Austria nach der letzten Volkszählung: "Würden wir die Wohnflächen der verschiedenen Stockwerke der erhobenen Häuser vergleichen, würden wir Gebäude bekommen, die es nicht geben kann." Wohnhäuser m
it 500 m2 im ersten Stock, 1500 m2 im zweiten Stock und 900 m2 im dritten Stock sind dann der Regelfall. In Wien brachte die letzte Zählung 714 neu erbaute Substandard-Gemeindewohnungen, deren Errichtung nach der Bauordnu
ng verboten ist und die durch die Gemeinde Wien auch sicher nicht errichtet wurden (http://www.ad.or.at/text/372.htm).

Dr. Hans G. Zeger: "Es ist uns aus rechtlichen Gründen nicht möglich, bestimmte Empfehlungen zum Ausfüllen einzelner Fragen zu geben, doch gehen wir davon aus, dass die Bürger bei jenen Fragen, die ihre Privat- und Intims
phäre betreffen, eine selbständige Entscheidung treffen werden."


Datenschutzrechtliche bedenkliche "Parallelaktion" des
Innenministeriums

Neben der eigentlichen Volkszählung findet zusätzlich eine
Verwaltungserhebung des Innenministeriums statt. Die
Zählorgane agieren gleichzeitig als Organe des
Innenministeriums und machen personenbezogene
Erhebungen zum Meldegesetz. Ziel ist es, ein zentrales
Melderegister zu schaffen, in dem jeder Bürger mit einem
eindeutigen Personenkennzeichen registriert ist.

Dr. Hans G. Zeger: "Diese Parallelaktion kann als
eigentlicher Sündenfall der Volkszählung angesehen werden.
Seit der NS-Erhebung 1933 ("Generalinventur Deutschlands")
kam es im deutschsprachigen Raum zu keiner Verknüpfung
statistischer und personenbezogener Erhebungen."

Mit dem zentralen Melderegister sollen die Behörden
verpflichtet werden, bei jeder Eingabe eines Bürgers, bei
jedem Antrag oder bei jedem sonstigen Verfahren, die
Meldedaten zentral im Innenministerium zu überprüfen. Das
Innenministerium ist verpflichtet derartige Anfragen zu
protokollieren und zumindest drei Jahre aufzuheben.

Dr. Hans G. Zeger: "Die Kombination zentrales
Melderegister, eindeutiges Personenkennzeichen,
Abfragepflicht durch die Behörden und Protokollierungspflicht
durch das Innenministerium, produziert einen äußerst
brisanten und datenschutzrechtlich bedenklichen
Informationsbestand. Erstmals ist das Innenministerium in
der Lage laufend aktualisiert einen vollständigen Überblick
über die Behördenkontakte eines Bürgers zu erhalten. In der
Regel genügt es zu wissen, welche Behörde kontaktiert
wurde, ob Gewerbeamt, Sozialamt, Schulbehörde oder
Verkehrsamt, um erkennen zu können, aus welchen Gründen
jemand diese Behörden in Anspruch nimmt. Auf Grund der
Amtshilfe besteht das Recht durch das Innenministerium
gezielt die kompletten Behördenakten anzufordern. Mit
diesem System wird, verspätet, der Traum der
Überwachungsbehörden des ehemaligen Ostblocks realisiert."

Zurecht erhielt diese Parallelaktion schon 1999 den
BigBrotherAward
(http://www.bigbrotherawards.at/awards_1999/report_1999102
7.shtml) Weitere Informationen zum Meldegesetz:
http://www.ad.or.at/news/20010108.html


Volkszählung produziert veraltete Daten

Die Datenauswertung gelang nach der Volkszählung 1991
nur mit mehrjähriger Verspätung. Schon die Abgabe der
Formulare scheiterte zum geplanten Termin
(http://www.ad.or.at/text/364.htm).

Dr. Hans G. Zeger: "Uns ist kein wirtschaftlich agierendes
Unternehmen bekannt, das die Ergebnisse der Volkszählung
für irgendwelche planerischen oder strategischen
Entscheidungen benutzt. Die Daten sind durchwegs veraltet
oder zu ungenau, meist trifft beides zu. Kommerzielle
Unternehmen verlassen sich eher auf kurzfristig angesetzte
Stichprobenerhebungen durch professionelle Marketing- und
Meinungsforschungsinstitute. Wenn diese seriös agieren,
können wesentlich aktuellere und statistisch genauere
Daten, ohne unerwünschte Eingriffe in die Privatsphäre,
ermittelt werden."


Resümee

Die Volkszählung produziert mit Milliardenaufwand die
Illusion einer exakten Datenerhebung. Das Ergebnis ist
jedoch, bedingt durch methodische Erhebnungsmängel und
verspätete Auswertung, ein unnutzbarer Datenfriedhof.

Dr. Hans G. Zeger: "Das Ritual Volkszählung hat längst eine
Eigendynamik entwickelt, die sich mit rationalen
Verwaltungsargumenten nicht rechtfertigen läßt. Statt
effektiver Einsparungen der Verwaltung wird ein
volkswirtschaftliches Vermögen von 6 Mrd. ATS vernichtet.
Die Volkszählung entpuppt sich als nicht mehr zeitgemäßes
Machtritual eines Staates mit authoritären Tendenzen.
Nebenbei wird auch die Fähigkeit des Staates geprobt, bei
Bedarf flächendeckend den Zugriff zur Privatsphäre der
Bürger zu organisieren."

Die grundsätzlichen Informationen und Bedenken zur letzten
Volkszählung (1991) bleiben auch für die aktuelle
Volkszählung gültig und finden sich im Informationssystem
der ARGE DATEN (http://www.argedaten.at, Suche im
ARCHIV, Stichwort "Volkszählung").

Wenn Sie Fragen zu dieser Presseaussendung haben,
kontaktieren Sie bitte info@argedaten.at

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edited by Harkank
published on: 2001-04-20
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