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Date: 2000-10-22
bigbrotherawards.at: Die Nominees sind da!
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q/depesche 00.10.22/1
Die Nominees für die Big Brother Awards 2000
[wenn Ihr Wunschkandidat fehlen sollte, besteht noch bis 25.
Oktober Mitternacht die Möglichkeit, für die Kategorie
People's Choice zu nominieren]
<http://www.bigbrotherawards.at>
Die in den letzten Tagen und Wochen aufgeflogenen
Spitzelaffären rund um das Innenministerium haben ihre
Spuren unter den Nominierten hinterlassen. Das Bestürzende
aber ist, dass die Liste noch weit länger geworden wäre,
hätten wir sie nicht auf ein erträgliches Maß gekürzt.
Insgesamt sind an die 200 Vorschläge eingetroffen.
Business und Finanzen:
1. amazon.AT [amazon.com, amazon.de] Für die
vorauseilende Dekonstruktion der Privatsphäre durch das
Implementieren eines neuen Privacy-"Statements", das man
erst lesen kann, wenn man ihm bereits zugestimmt hat, und
das viele der diesbezügliche Datenschutz-Gesetze der
jeweiligen Länder dadurch bricht, daß die Kaufverträge zwar
im Land geschlossen werde, die Userdaten aber außer
Landes verbracht werden.
2. American Express Das Kreditkartenunternehmen
versuchte, durch eine einseitige Änderung der
Geschäftsbedingungen das Recht zu erlangen, alle Daten
ihrer Kunden innerhalb des Konzerns weltweit nach Belieben
austauschen zu dürfen. Eine derartige Bestimmung ist in
Österreich datenschutzwidrig und ungültig [siehe auch OGH-
Urteil "Friends of Merkur"]
3. SkiData AG, Gartenau Weil SkiData und Eye Ticket eine
'Kooperation für revolutionäre Zugangskontrolle' eingerichtet
haben: "Erstmalig ersetzt die Iris des menschlichen Auges
ein Zutrittsticket bei Massenzugang: Akkreditierung im
'Deutschen Haus Sydney 2000' via Iris-Erkennung". Seit
einiger Zeit tritt diese österreichische Firma mit dem
sportlichen Namen als Protagonist der menschenfeindlichen
Technik Biometrie auf. Erklärtes Firmenziel ist der Einsatz
von Iris-Kontrolle auf Flughäfen. Nicht zufällig ist die Skidata
in Malysia, jenem Land, das voll auf biometrische
Sozialkontrolle setzt, mit einer eigenen Niederlassung
vertreten.
4. SATURN, 1070 Wien Weil man "durch Eingabe des PIN-
Codes" und "Bestätigung durch die Okay-Taste" beim
Bezahlen mit der Bankomatkarte der "unwiderruflichen"
Ermächtigung zur Weitergabe persönlicher Daten zustimmt.
Davon aber nicht so leicht erfährt, weil diese Zustimmung
klein gedruckt und nur auf der Rückseite des Kassabons
steht. Das Datenschutzgesetz kennt übrigen keine
"unwiderrufliche" Zustimmung zur Weitergabe von Daten.
Politik:
1. SPÖ-Graz für die Aktion - Wir brauchen deine Hilfe, es
geht um den Kreis der "SPÖ Sympathisanten" - im
Volksmund auch genannt "bespitzele deinen Nachbarn." Die
Grazer SP verschickte Auszüge aus dem Wählerverzeichnis
an 1000 Vertrauenspersonen, mit der Aufforderung, hinter
den Namen und der Adresse des Nachbarn oder Bekannten
dessen politische Präferenz zu verzeichnen: ein S bei
potenziellen SP-Wählern; ein A bei denen, die bei einem der
letzten drei Wahlgänge eine andere Partei gewählt haben.
2. Innenminister Ernst Strasser Den im Innenministerium
offenbar unvermeidlichen Handel mit Daten auf eine legale
Basis stellen wollen, ist zwar angesichts der langjährigen
Skandalpraxis nur zu verständlich. Dass Überprüfungen
durch die Staatspolizei Unternehmen als Dienstleistung
angeboten werden soll, ist nichts desto weniger besonders
hervor zu heben. Es folgt einem gefährlichen Trend, der aus
dem anglophonen Raum auf Europa überzugreifen dorht: die
wechselweise Durchdringung von Polizei,
Nachrichtendiensten und Industrie.
3. Peter Westenthaler und Andreas Khol Für die lückenlose
Überwachung von öffentlich-rechtlichen TV-Programmen auf
abweichende Berichterstattung, Versuche Journalisten
einzuschüchtern und ihnen Themen vorzuschreiben und für
Erstellung von Dossiers über missliebige Berichterstattung in
den Medien. Besonders im Falle Westenthaler ist nach
Ansicht der Jury der Begriff "Meinungsterror" angebracht.
4. AUF (Aktion Unabhängiger und Freiheitlicher), Michael
Kreißl Diese schlagkräftige Polizeigewerkschaft wurde unter
anderem dadurch bekannt, dass sie Polizeikritiker mit
angedrohten Verleumdungsklagen und Prozessen wegen
Kreditschädigung einzuschüchtern versuchte. Dass die AUF
Polizisten schützt, die beschuldigt sind, Menschen
misshandelt zu haben passt ebenso ins Bild wie der
Umstand, dass bei so gut wie allen Datenklau- und
Bespitzelungsaffären Beamte aus dem AUF-Umfeld
verwickelt waren und sind. Ihr ehemaliger Chef Josef
Kleindienst beschreibt ganz freimütig, wie sich die AUF für
politische Zwecke am Datenbestand des Innenministeriums
vergriffen hat, um politische Kritiker einzuschüchterm. Die
AUF verkörpert den grundrechtlichen Supergau: Menschen,
die als Personalvertreter unkündbar sind, machen Politik mit
jenen Daten, die der Staat sammelt.
Behörden und Verwaltung:
1. Österreichische Justizbehörden Potentielle Anwärter für
das Richteramt werden Psychologietests unterzogen, in
denen Fragen wie "Wundern Sie sich manchmal über die
Bedeutung von Links und Rechts? Wachen Sie manchmal
schweißgebadet in der Nacht auf? Wären Sie lieber Förster
oder Offizier?" gestellt werden. Derartige Fragen, die
tatsächlich nichts mit der Qualifikation eines Bewerbers zu
tun haben, wurden in Deutschland bei den Psychologietests
für Richteramtsanwärter als zu starker Eingriff in die
Privatsphäre bereits verboten. Die Psychologietests greifen
nicht nur in unzulässiger Weise in den Intimbereich der
Bewerber ein (zB Fragen, nach dem Wunschgeschlecht), sie
werden auch erwiesenermaßen dazu verwendet, fachlich
qualifizierte Bewerber ohne Protektion auszuscheiden, um
fachlich weniger qualifizierte, dafür aber protektionierte
Bewerber aufzunehmen.
2. Die vermummten Beamten des Kommissariats Ottakring
Diese mit Strumpfmasken bekleideten Polizisten verfolgten
bei der Opernballdemonstration im Frühjahr 2000 mit
gezogenen Waffen Demonstranten. Im April hat einer dieser
Beamten einen Mann erschossen, weil "sich plötzlich ein
Schuss löste". Das sind Methoden, die geeignet sind, in
einem Polizeistaat Angst und Schrecken zu verbreiten, in
einem europäischen Rechtsstaat des 21. Jahrhunderts sind
sie untragbar.
3. Professor Johann Szilvassy Laut eigenen Angaben hat der
Anthropologe, der auch gern in der AULA über
"Bevölkerungshygiene" schreibt und "vom Aussterben der
Blonden" warnt, rund 30.000 Menschen biometrisch
vermessen. Schon im Dritten Reich wurden vor allem Juden
für das Reichssippenamt vermessen, um die Minderwertigkeit
ihrer Rasse zu beweisen. Johann Szilvassy vermaß im
Auftrag der Justiz Schamhaare, Achselhaare,
Schädelknochen und viele andere Körperteile, um
Rückschlüsse auf das Alter von Personen meist
ausländischer Herkunft zu ziehen.
4. 'Helmi' - der anonyme Polizeispitzel 'Helmi', selbst wegen
Drogendelikten vorbestraft, ist unter der Obhut der Polizei
und sagt in den Verfahren gegen Drogendealer immer, was
die Polizei gerade hören will, weil er als verdeckter
Polizeispitzel gearbeitet hat. 'Helmi' hat es geschafft, dass
sich Rechtsgelehrte, Ministeriumsbeamte und sogar die drei
Weisen ernste Gedanken über die Grundrechte in
österreichischen Strafverfahren machen. Niemand kennt ihn,
da er vor Gericht nur mit Sturzhelm oder Strumpfmaske
auftritt. Richter vertrauen ihm und haben - zumindest in
einem Fall - nur auf Grund seiner Aussagen einen Mann zu
fünf Jahren Haft verurteilt. 'Helmi' wird demnächst den
europäischen Gerichtshof für Menschenrechte beschäftigen.
Kommunikation
1. Chello Entgegen den handelsüblichen
Geschäftsgebarungen der Telekommunikationsdienste stellt
die Telekabel GmbH, unter einseitiger Berufung auf das
Telekommunikationsgesetz, die Benutzerdaten der ca.
50.000 bis 60.000 Mitglieder, mit e-Mail und Internet-
Adresse, automatisch ohne Widerrufsrecht, ins eigene
Mitgliederverzeichnis (http://members.chello.at). Selbst nach
mehrmaligen Aufforderungen seitens der Chello-
Benutzer/innen, direkt an den Helpdesk, gab es bisher keine
Änderungen zugunsten der Endverbraucher im Sinne des
Konsumentenschutzgesetzes.
2. Jet2Web alias Highway 194 alias AON Weil diese
Telekom-Tochter grundsätzlich sehr ähnliche Praktiken
verfolgt, egal ob sie gerade Highway 194, AON, oder
Jet2Web hieß. Durch offensichtlich schlampige
Programmierung ware
n zigtausende Datensätze aus der Kunden-Datenbank komplett absaugbar.
3. A1, max, ONE, tele.ring Die ausufernden Bonitätsprüfungen für Geschäftsbedingungen, die sie zur Einholung von Bonitätsauskünften ermächtigen. Sie bedienen sich dabei auch der UKV-Liste des KSV von 1870, die rechtmäßige
rweise höchstens Banken zugänglich ist. Die Geschäftsbedingungen selbst sind oft so unklar, daß es dem Betroffenen nicht möglich ist, nachzuvollziehen, an wen seine Daten weitergegeben werden, bzw. welche Daten wo erhoben
werden.
4. Die Arbeitsgruppe SEC LI [Lawful Interception] des ETSI [European Telecom Standards Institute] In dieser Arbeitsgruppe befasst man sich mit dem Design von Abhörschnittsstellen für alle digitalen Netzwerke ISDN, GSM bis
hin zu UMTS. Techniker der österreichischen Siemens- Tochter PSE und anderer Firmen aus dme Telekom-Bereich wie Nokia, Ericsson, Alcatel, Nortel-Dasa, Comverse, Britische und Deutsche Telekom sitzen dort nicht nur mit Po
lizei, sondern Geheimdienst-Verbindungsleute vor allem aus England, Deutschland, und Holland, sowie Firmen aus Israel, die ganz offen als Ausrüster von Geheimdiensten auftreten. Diese saubere Gesellschaft legt die technis
che Infrastruktur aller künftigen digitalen Telefonzentralen in ganz Europa fest. Im Moment beschäftigt sich die Arbeitsgruppe SEC LI mit der Integration des Internet-Protokolls in ihre Überwachungsdesigns.
Lifetime Achievement
1. Neue Kronen-Zeitung Die Redaktion der Neuen Kronen
Zeitung, wegen nimmermüden Eintretens für autoritäre
Führung, Lauschangriff und Überwachung, besonders sofern
ausländische Mitbürger betroffen sind. Die Funktion als
Cheerleader für alle Initiativen, die Richtung Polizeistaat
gehen, hat die so genannte 'Krone' auch nach dem
Regierungswechsel nicht aufgegeben.
2. Michael Sika Unter Karl Schlögl gelang es Michael Sika,
die rot-schwarze Regierung davon zu überzeugen, dass
Österreich vom organisierten Verbrechen übernommen wird,
weshalb Rasterfahndung und Lauschangriff eingeführt
wurden. Sika hat sich ein Weltbild zusammengebastelt, in
dem dunkle kriminelle Mächte den Staat eigentlich schon in
ihren Klauen haben. Die Politik übernahm das bereitwillig,
obwohl das mit der Realität nicht mehr viel zu tun hatte und
die Grundrechte unter die Räder gerieten. [Begründung Hans
Rauscher im DerStandard]
3. Dieter Böhmdorfer Für ein Leben, das im Zeichen der
Bemühungen steht, die Rechtssprechung als Großen Bruder
gegen Kritik und freie Meinungsäußerung zu mobilisieren.
Als Böhmdorfer Justizminister wurde hielt er den Wunsch
Jörg Haiders, Oppositionelle Meinungsäußerungen mit dem
Strafrecht zu verfolgen, sogleich für "verfolgenswert". Wenig
später vermeldete er einer Tageszeitung persönlich, dass
gegen den Aktionskünstler Schlingensief ermittelt werde. Der
hatte "Meine Ehre heisst Treue" plakatiert und damit nur
einen anderen FPÖ-Politiker wörtlich zitiert. Angezeigt wurde
von Böhmdorfer nicht der Parteikollege, sondern der Künstler.
Erst unlängst klagte seine ehemalige Kanzlei "Böhmdorfer
Ghenneff" einen Leserbriefschreiber, der das Wort
"Scheissregierung" verwendet hatte. Böhmdorfer fühlte sich
"betroffen und beleidigt". Einer Journalistin, die es wagte über
Böhmdorfer zu recherchieren, hetzte er die Staatspolizei auf
den Hals, weil er sich durch "dunkle Gestalten" bedroht fühle.
4. Das Heeresnachrichtenamt Wird auch heuer wieder
genannt, aus bekannten und mithin schon traditionellen
Gründen: Wenn in diesem Staat ein Moloch existiert, der an
allen Kommunikationskanälen zapft und saugt und
überwacht, dann ist es diese Institution, die so gut wie nie im
Licht der Öffentlichkeit steht.
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edited by Harkank
published on: 2000-10-22
comments to office@quintessenz.at
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